Für die Linksfraktion steht fest: Die Toleranzgrenze für den Cannabiskonsum im Straßenverkehr muss angehoben werden. Im Verkehrsausschuss des Bundestages argumentierten sie Anfang des Jahres, dass im Gegensatz zur Grenzwert-Regelung bei Alkohol bei Cannabis faktisch eine Null-Toleranz-Grenze gelte. Ob der Antrag auf offene Ohren trifft, bleibt abzuwarten. Wie Cannabiskonsumenten, die zum Kontrollzeitpunkt nicht unter dem aktiven Einfluss der Droge standen, das Risiko minimieren, ihren Führerscheinen zu verlieren, erklärt Christian Marnitz, Rechtsexperte von freem, ein Verkehrsrechts-Portal der Flightright-Gruppe.
„Es geht nicht darum, dass Cannabiskonsumenten sich zukünftig berauscht hinters Steuer setzen dürfen“, erklärt Christian Marnitz, Fachanwalt für Verkehrsrecht von freem. Worum es bei dem Antrag der Linksfraktion geht, den diese im Februar 2021 in den Verkehrsausschuss einbrachte, ist für den Rechtsexperten eine „Gleichstellung der Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr“.
Das Problem: Der in Deutschland durch die Rechtsprechung meist angewandte Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blut lässt sich unter Umständen noch Tage nach dem letzten Konsum nachweisen. Da Alkohol schneller abgebaut wird, sind Konsumenten von Cannabis im Nachteil. Ihnen droht der Entzug des Führerscheins, obwohl sie zum Kontrollzeitpunkt nicht mehr unter dem Einfluss der Droge standen.
Zwar führt die Überschreitung des Wertes beim erstmaligen Erscheinungstreten nicht mehr zwangsläufig zum Entzug der Fahrerlaubnis. Aber die Unsicherheit bleibt für die laut epidemiologischen Suchtsurveys 2018 fast 3,7 Millionen Menschen, die hierzulande mindestens einmal innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis konsumierten. Ganz abgesehen davon, dass auch immer mehr Patienten aus gesundheitlichen Gründen die Droge einnehmen.
In den Niederlanden gilt bereits ein höherer Grenzwert von 3 ng/ml. Ein Ansatz, der laut Marnitz Schule machen sollte. Denn durch die Anhebung des THC-Grenzwertes könnte die Rechtsprechung sicherer von „einem fehlenden Trennungsvermögen zwischen Cannabiskonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr ausgehen“. Sie wäre also sicherer in ihrer Entscheidung, ob Cannabis-User das Fahrzeug unter einem relevanten Drogeneinfluss steuerten oder nicht.
Verkehrsrechtliche Folgen des Cannabis-Konsums
Die Folgen für die Betroffenen, die den geltenden bzw. angewendeten Cannabis-Konsum-Grenzwert überschreiten, sind „durchaus schmerzhaft“. Bereits beim ersten Verstoß droht ein Bußgeld von mindestens 500 Euro, zwei Punkte in Flensburg sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Beim zweiten Verstoß muss die Fahrerlaubnis bereits für drei Monate abgegeben werden.
Aufgrund der komplexen Thematik und der schwerwiegenden Folgen für die Verkehrsteilnehmer empfiehlt Christian Marnitz Betroffenen, im Falle einer Polizeikontrolle einige Grundregeln zu beachten, um „ihre Chancen zu erhöhen, den drohenden Entzug des Führerscheins noch abzuwenden.“
Da Cannabis je nach Konsumverhalten und körperlicher Verfassung unterschiedlich schnell abgebaut wird, sollten Betroffene in einer Verkehrskontrolle einen Schnelltest verweigern. Damit gewinnen sie Zeit und die Substanz kann bis zur Blutentnahme noch abgebaut werden. Freiwillig sollte man zudem keinem Drogentest zustimmen. Die Auffassung, dass nach 24 Stunden kein Wirkstoff mehr nachgewiesen werden kann, „ist eine Mähr“, so der Anwalt.
Zudem sollten Betroffene bei der Polizeikontrolle auch keine Angaben zu ihrem Konsum machen. Gut gemeinte Entschuldigungen, wie „Ich kiffe nur am Wochenende“, können sich „bei einem Verfahren rächen“, betont Marnitz. Bereits der nicht (nur) einmalige Cannabiskonsum kann ausreichen, damit die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzieht oder zumindest eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnet.
Und ganz wichtig: Nach der Polizeikontrolle sollten Betroffene den Konsum konsequent einstellen. Denn wie gesagt, der Abbau von Cannabis ist individuell verschieden und eine Einstufung als „regelmäßiger Cannabis-Konsument – weil Grenzwerte überschritten werden – führt in dem Fall zum Fahrerlaubnisentzug“, so der Rechtsexperte. Aufgrund der Rechtsunsicherheit empfiehlt er Betroffenen daher dringend, frühzeitig einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu beauftragen.